Dienstag, 24. Juli 2012

Was kostet das Gewissen?


Afghanistan – nach rund 11 Jahren Aufbau mit üppigster Unterstützung jed-welcher Art ein Land in glitzernder Moderne und gleichzeitig tief im dunkelsten Mittelalter.
Als auf der Tokioter Konferenz in der letzten Woche zum wievielten Male über Afghanistan das Füllhorn finanzieller Zusagen der Weltgemeinschaft mit dies-mal 16 Milliarden US-$ ausgeschüttet wurde, schockierte zur gleichen Zeit ein Video aus diesem Land die Menschheit mit einer furchtbaren Greueltat.
Mit dem modernen Medium des Internets wurde die Hinmetzelung einer wehrlosen Frau wie weiland in barbarischer Vorzeit mit krankhaft religiösem Wahn und perversem, durch nichts gerechtfertigten primitiven, tribalen Stolz zelebriert.

Die Frau, der man Ehebruch durch ein außereheliches Verhältnis (mit einem Taliban-Kommandeur!) vorwarf, wurde menschenrechtsverachtend auf besti-alischste Art bar jeder rechtlichen Legitimation durch 3 Schüsse zum Jokus und zur subtilen Befriedigung hunderter beiwohnender Vertreter des männlichen Geschlechts vor laufenden Kameras hingerichtet.
Die Taliban haben sich sofort zur Tat bekannt und selbstgefällig die Verantwor-tung dafür übernommen - die Taliban, die der amtierende Präsident Karzai als seine Brüder nennt, die vom Westen als Verhandlungspartner hofiert und die mit einem von den Vereinten Nationen bezahlten Büro in Qatar geadelt wurden und werden.  Und die Taliban, die schon jetzt neben ihrer verbrech-erischen und brutalen Terrortätigkeit das Land mit der Drohung ihrer Rückkehr und die dann erfolgende Wiedereinführung der Schreckensherrschaft für die Zeit nach ISAF das Land in Angst und Schrecken versetzen.
Spätestens hier und nach all den alarmierenden Schreckensnachrichten der letzten Zeit drängt sich jetzt die Frage, was den Westen dazu bewegt, in immer kürzer werdenden Intervallen auf mit immensem Aufwand durchgeführten „Afghanistan-Konferenzen“ mit Milliardengeldgeschenken um die Karzaiad-ministration zu buhlen - der Karzai, dessen Umfeld immer wieder der Nähe zu Drogenhandel verdächtigt wird, der seine Unterschrift unter Gesetze setzt, die das Menschenrecht verhöhnen, die Teile der Gesellschaft, nämlich Frauen und junge Mädchen, zu Gebärmaschinen und Sexualobjekte reduziert und ihnen die Vollwertigkeit in der afghanischen Gesellschaft verweigert – sie, vor allem im Süden des Landes verkauft oder gegen Vieh gehandelt werden, der Karsai, der versöhnlich die Taliban als seine „Brüder“ die Umarmung anbietet und um sie am Regierungsgeschäft zu beteiligen, der Karsai, der mit den Sicherheitskräften des Landes, jetzt sogar noch mit dem Sicherheitsbackup durch die ISAF-Kräfte im Rücken, nicht in der Lage ist, Sicherheit, Ruhe und Frieden sowie ein Mindestmaß an Regierungsfähigkeit im Land nachhaltig zu schaffen?

 Der nicht verhindert oder verhindern kann, das Menschen bestialisch gefoltert, verge-waltigt und außerhalb des Rechts hingerichtet werden, dass das Trinkwasser von Mädchenschulen vergiftet wird, Kinder und Jugendliche unvorstellbarem, aber allzu oft geduldetem Missbrauch ausgesetzt sind?
Unter dessen Regierung, die mit bisher noch nie dagewesenem Aufwand gestützt und unterstützt wurde und wird, das Delta vom Möglichen zum tatsächlich Erreichten so unermesslich groß und immer größer wird, Korruption als die fast schlimmste auf der Welt wie am Land festgeklebt bleibt, Unprofessionalität und mangelhafte Effizienz traurige  Negativrekorde erringen – und dies mit einem im Vergleich zu unserem Land doppelt so großen Regierungskabinett!
Wollen wir mit in diesen Gaben eingepackten Sympathie- und Beistands-bekundungen nur unser Gewissen beruhigen? Vielleicht weil es selbst dem Naivsten und den unverbesserlichen „Gutmenschen“ klargeworden ist, dass der ISAF-Rückzug nicht den wirklichen Bedürfnissen angepasst und damit zu früh beziehungsweise gänzlich überhastet vorgenommen wird und dass die Konsequenzen daraus fürchterlich sein werden, eine Katastrophe droht?
Wollen wir damit den Vertrauensverlust der hoffenden Menschen dort „bezahlen“?
Kaufen wir damit wieder „Tetzelsche Ablassbriefe“ um damit unsere Seele zu retten, zu beruhigen?
Oder sollen die Gaben, die mit unseren Steuern und Abgaben finanziert werden, nur die Reichen dort reicher machen und um dadurch deren Gunst zu gewinnen beziehungsweise zu behalten?
Der Mann, der vermeintlich bei der hingerichteten Frau Befriedigung gefunden hatte, blieb verschont – ihm wurde kein Haar gekrümmt.


Nadia Fasel 14.07.2012

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